Stifterportrait

Eine verlässliche und einfühlsame Freundin

Seit mehr als einem Jahrzehnt unterstützt die Brocke-Dombrowski Stiftung Einrichtungen in der Region Bonn, die Schwerstkranke und/oder deren Angehörige begleiten.

Wer einmal einen geliebten, häufig von schwerer Krankheit gezeichneten Menschen, auf seinen letzten Lebensmetern begleitet hat, weiß um den Wert der Hilfe von außen. Doris Brocke-Dombrowski hat es erfahren müssen. Selbst von Jugend an schwer erkrankt, musste sie miterleben und akzeptieren, dass zwei ihr so wertvolle Personen noch vor ihr aus diesem Leben abberufen wurden: Ihre Mutter und ihr Ehemann Kurt, der sie stets nach Kräften unterstützt hatte. In guten wie in schlechten Zeiten.

Für Doris Brocke-Dombrowski stand daher spätestens nach einem intensiven Gedankenaustausch mit Agnes Rohl fest, dass sie eine Stiftung errichten wolle. Agnes Rohl und ihr 2007 verstorbener Ehemann Theodor hatten sich zu diesem Schritt 2006 entschieden. Gut erinnert sich Agnes Rohl erinnert sich an die Motivation: „Doris hatte zwei Wünsche. Zum einen war es ihr wichtig, dass ihr Vermögen für einen guten Zweck eingesetzt werden würde. Zum anderen wollte sie, dass der Name ihrer Familie nicht einfach verschwindet.“

Das ist gelungen. Unter dem Dach der Bürgerstiftung Bonn hat sie 2008 die Doris Brocke-Dombrowski Stiftung errichtet.

Das Ziel ihrer Stiftung ist die Unterstützung von Einrichtungen in der Region Bonn, die Schwerstkranke und Sterbende und/oder deren Angehörige betreuen und begleiten, insbesondere: Förderung des Vereins Leukämie-Initiative Bonn e. V., der sich um die Verbesserung der Gesamtsituation der Patienten auf der Paul-Liebermeister Station im Paul-Ehrlich-Haus in der Medizinischen Universitätsklinik Bonn bemüht, ferner die Förderung des Zentrums für Palliativmedizin im Helios Klinikum Bonn/Rhein-Sieg, das schwerst- und unheilbar kranke Menschen und ihre Angehörigen nach ganzheitlichen Gesichtspunkten begleitet.

Ein langer Leidensweg

Doch wer war diese Frau zu Lebzeiten? Was charakterisierte sie? Wofür stand sie?

Doris war das einzige Kind ihrer Eltern. Sie ist in einem sozialdemokratisch orientierten, nicht religiös geprägten Elternhaus, liebevoll von ihren Eltern umsorgt, aufgewachsen. Ihre Mutter war für sie zeitlebens eine wichtige, enge Bezugsperson. Die Zukunft schien offen vor ihr zu liegen, als sie mit 21 Jahren von ihrer ersten bösartigen Erkrankung erfuhr.

Ihr Leben wurde fortan von Krankheit bestimmt. Sie gab ihr Lehramtsstudium auf. Nichts war mehr wie zuvor. Doris musste alle Träume und Wünsche, die ein junger Mensch im Alter von 21 Jahren in sich trägt, aufgeben. Aus der vormals lebensfrohen, energiegeladenen Doris wurde eine Frau, die lernen musste, mit den krankheitsbedingten Einschränkungen, der Aufgabe innigster persönlicher und beruflicher Pläne, auch der beständigen Furcht vor neuen Erkrankungen, umzugehen.

Trotz ihrer Krankheiten ist Doris immer ein streitbarer, kampfeslustiger und gleichzeitig liebenswerter Mensch geblieben, der nie um das rechte Wort verlegen war und offen seine Meinung bekundet hat.

Doris wurde in ihrer durch Krankheit geprägten Lebenssituation vor allem von ihrem geliebten Ehemann Kurt getragen. Er war es, der immer an ihrer Seite stand und sogar in der Situation, in der er selbst im Jahr 2012 todkrank war, nicht sterben wollte, weil er sich so sehr darum sorgte, wie Doris das Leben ohne ihn bestehen könnte. Erst als Doris ihm am Krankenbett versichert hat, dass sie das schon schaffen werde, konnte er sterben.

Wie innig die Beziehung zwischen den Eheleuten war, belegen von Doris formulierte Verse. 2009 schrieb sie:

Das Nest


Als ich zum ersten Mal in deinen Armen lag,

da war ich endlich zu Hause,

umhüllt von Liebe und Geborgenheit,

gestützt und geschützt durch den Halt, den du mir geschenkt hast.

So warm und wohlig fühlte ich mich fortan in meinem sicheren Nest!

Für alle Zeit teilen wollten wir beide

unsere Liebe, unsere Zuflucht, unser Nest.

Das Schicksal jedoch schleuderte uns beide

brutal aus unserer Innigkeit heraus –

dich hinein in den Tod.

mich hinaus ins ungeschützte Leben.

Dort irre ich nun verlassen umher

auf der Suche nach Liebe, Halt und Geborgenheit,

auf der Suche nach dem verlorenen Nest.



Schreiben und Reisen


Gedichte und kleine Geschichten schreiben, sich in Literaturkreisen bewegen, auf Reisen gehen waren Hobbies, denen sich die Stifterin engagiert widmete. Doris Brocke-Dombrowski ahnte das nahe Ende ihres Lebens, als ihre vertraute Freundin der letzten Lebensjahre, Astrid Maack, sie im Herbst 2012, kurz vor ihrem 60. Geburtstag, wieder einmal wegen einer akuten Erkrankung ins Krankenhaus gebracht hat. Das Krankenhaus, in dem Doris letztendlich auch gestorben ist. Noch auf dem Weg dorthin, am Eingang, hat Doris gesagt: „Ich fühle, dass ich hier nicht mehr lebendig herauskommen werde“.

Statt der ursprünglich geplanten Feier des runden Geburtstags von Doris, zusammen mit einigen Freunden in ihrem Lieblingshotel in Opatija, dem Ort ihrer stillen Zuflucht und Sinnbild für ihre unbeschwerte Jugendzeit, folgte also der Krankenhausaufenthalt.

Die Freundin schließt ihre kleine Grabrede mit den Worten: „Was bleibt, ist die Erinnerung an eine absolut verlässliche, einfühlsame Freundin, der es nie zu viel war, selbst in Zeiten, in denen es ihr selbst schon lange nicht mehr gut gegangen ist, mir zuzuhören, darüber nachzudenken, was für mich gut ist, auch einmal ein deutliches Wort zu sprechen, wenn irgendetwas so überhaupt nicht mit Deinen eigenen Vorstellungen zusammenpasste. Du warst immer da für mich, auch wenn es für Dich selbst beschwerlich war. Deine Anteilnahme war echt. Du hast keine halben Sachen gemacht. Man konnte Dir vertrauen.“

So, wie Doris Brocke-Dombrowski im Laufe der Jahrzehnte offensichtlich Ihren Frieden mit Gott geschlossen hatte. Nachdem sie sich 1972 selbst als Atheistin bezeichnet hatte, schrieb sie im Januar 2012 die Gedanken:

Gottvertrauen


Dem Bösen ist die Hölle

wohl zu eng geworden.

Mit Macht drängt es heraus

aus seinem verseuchten Schattenreich,

hat meine Schwäche erschnüffelt,

wittert schnelle Beute.

Seine grässlichen Gesellen greifen

gierig nach ihren Giftspritzen,

um mich zu Fall zu bringen,

um mich hinab zu zerren

in ihre ewige Dunkelwelt.

Ihr freut Euch zu früh!

Ihr kriegt mich nicht!

Niemals kriegt Ihr mich!

All meine Kreuze schleudere ich

Euch vor die Stirn,

rolle Euch all meine Gebete

vor die Füße.

Wenn ich falle,

dann falle ich nicht in Euren giftigen Dreck!

Wenn ich wirklich falle,

dann falle ich in Gottes Hand!

Doris Brocke-Dombrowski ist am 6. Dezember 2012 im Alter von 60 Jahren verstorben. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Friedhof Poppelsdorf, im Familiengrab Brocke, bei ihren Großeltern und Eltern sowie an der Seite ihres geliebten Ehemanns.

Bonn, den 6. Dezember 2021